Gemeinschaft Erfurt Carneval

Erfurter Karneval - ein Überblick.

Vom mittelalterlichen Fastnachtsvergnügen zur Brauchpflege der Gemeinschaft Erfurter Carneval von 1991 e.V.
von Rolf Fliedner, Präsident der GEC von 1994-2007
Im Jahre 1342 fanden im Rathaus zu Erfurt die ersten, bis heute bekannten Fastnachtsvergnügen statt. Sie fanden ihre Fortsetzung im 15. Jahrhundert. Zeitzeugen sind die Kalenderblätter der Ratsherren im großen Festsaal des alten Rathauses. Dort hingen - neben aufgestellten Wappen und Setzschilden - an der himmelblauen Decke auch 12 mit Temperafarben gemalte Rundbilder aus Fichtenholz. Neben den - mit schwarzer Farbe auf goldenem Grund angebrachten Monatsnamen - waren die Beschäftigungen der Menschen in den 12 Monaten eines Jahres anschaulich dargestellt. Das Hornung-Februar-Bild verrät uns, dass man schon vor über 600 Jahren den Tanz als winterliches Vergnügen und die Freuden der Fastnachtszeit in Erfordia wohl zu schätzen wusste:

Ein junger Mann in bunter Tracht reicht einer mit einem kostbaren Kränzlein geputzten Jungfrau zierlich die Hand zum Tanz. Das damals beliebte Kränzlein war in der Kleiderordnung von 1420 den Jungfrauen gestattet.

1447 gab es wiederum im Rathaus zu Erfurt allerlei Mummenschanz der Fürsten und Bischöfe.

"1 Erzbischof, 2 Bischöfe, 1 Kurfürst und noch 14 Grafen neben vielen Fremden in der Stadt unnd hielden do fastnacht mit den von Erffort sinde stochen (turnierten) mit den borgern unnd woren frohlich mi on, unnd der alde Starre (Kurfürst Friedrich) quam alleczit met uff den anger, die frohlichkeit zu beschowen."

Chronik von Stolle
Die Reformation drängte auf ein Fastnachtsverbot, so konnte sich erst im 18. Jahrhundert die Fastnacht und der Karneval wieder entwickeln. Wanderbühnen der italienischen Stehgreifkomödie und Bräuche an den Fürstenhöfen und Residenzen bereicherten das gesellschaftliche Leben. Auch das Bürgertum feierte auf seinen Redouten und Maskenbällen und versuchte damit, es den herrschenden gleich zu tun.

Unter kurmainzischer Landeshoheit (vom 10.Jh. bis 1802) war Fasching - das Wort bedeutete Lebensfreude und Humor - Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Mit der Mainzer Herrschaft verlagerte sich das Fest in die Statthalterei. Die Statthalter Philipp Wilhelm Reichsgraf von Boyneburg (1702-1717), Franz Anselm von Warsberg (1732-1760) und Karl Theodor Anton Maria Freiherr von Dalberg (1772-1802 haben mit persönlicher Zuneigung die Entwicklung der Stadt Erfurt entscheidend beeinflusst.

Der erste Maskenball in Erfurt - so berichtet Siegmund Friese in seiner Chronik, war am 05.Februar 1704, eine Hoffestlichkeit in der Kurmainzer Statthalterei. Die Maskenfreibälle des Statthalters fanden honorige Gäste auch aus bürgerlichen Kreisen. Neben den Erfurter Volksfesten, der Spittelkirmes, der Peterkirmes, dem grünen Montag, dem Vogelschießen und dem Martinstag werden die Maskenbälle und Redouten zur ständigen Einrichtung.
Sie fanden zwischen dem Dreikönigstag und Aschermittwoch in verschiednen Wirtschaften statt. Veranstalter waren die Wirte oder auch Gesellschaften. Erfurts Bürger Constantin Beyer berichtet in seiner Chronik über persönliche Erlebnisse auf verschiedenen Maskenbällen der "Gesellschaft auf dem Keller", der späteren Ressource-Gesellschaft, aber auch über einem öffentlichen Maskenball, an dem jederman ohne Eintrittsgeld teilnehmen konnte. Die Bälle "en masque" fanden in den Räumen des Erfurter Ratskellers statt, Handwerkerzünfte und Gilden trafen sich zum Fest so, wie Tischgesellschaften aus Daberstedt, Gispersleben, Ilversgehofen und Hochheim.
In dieser Zeit dominierten die Maskenbälle und Redouten der Vereine und Gesellschaften, auch der Wirtsleute der Gaststätten. Das ehemalige Reinboth`sche Haus, einst Brauhaus - hatte den Theaterbetrieb 1870 aufgegeben und wird seitdem als Kaisersaal betrieben. Auch der damalige Wirt des Hauses Schlehendorn - J.G. Weber - hat am 01.Januar 1831 mit einer Anzeige geworben, dass es am 6. Januar einen Maskenball gäbe. Der Preis für das Billet beträgt "10 Sgr. wogegen an der Kasse 15 Sgr. Auch wird keinem der Zutritt im Tanzsaal gestattet. Der Anfang ist 8 Uhr."
Nach dem 1. Weltkrieg
Mit dem ersten Weltkrieg war wenig Raum für fastnachtliche Vergnügungen.1919 untersagte auch die Reichsregierung im Sinne "nationaler Trauer nach Versailles" alle öffentlichen karnevalistischen Aufführungen und Veranstaltungen. Das blieb bis in die zwanziger Jahre so. Im preußischen Regierungsbezirk Erfurt galt das Verbot bis 1925. So entwickelte sich privates Eigenleben, bis mit der Wirtschaftskrise das gesellschaftliche Leben erneut erlahmte.

Erst in den dreißiger Jahren beginnt in Erfurt der organisierte Karneval. Geschäftsleute veranstalteten nicht nur Bälle - auch Sitzungen und organisierten den bisher nachgewiesenen 1.Erfurter Karnevalsumzug 1934. Das Wirtschafts- und Verkehrsamt der Stadt war die geschäftsführende Stelle eines Karnevalskomitees für die Stadt.

Ab 1935 hatte Erfurt einen Prinzen, bis ab 1938 ein Prinzenpaar, das die Karnevalssymbole der Stadt vertrat. Der Schlachtruf hieß: "Erfurt Hi - nein".
Erst 1938 gründete sich der 1.Thüringer Faschingsausschuss zu Erfurt e.V. Am 01.04.1938 trat dann die Stadt Erfurt auf Empfehlung des Deutschen Städtetages in den Bund Deutscher Karneval ein, der am 16. Januar 1937 in München gegründet wurde. Dieser hat am 08.November 1939 allerdings Karneval in der Öffentlichkeit abgesagt.
Nach dem 2. Weltkrieg
Nach dem 2. Weltkrieg fanden wieder Maskenbälle und Kappenabende in Erfurter Gaststätten statt. Der zögerliche Anfang wurde von der SED - Führung in der DDR kaum zur Kenntnis genommen. Die ungeordneten Veranstaltungen wurden aber öffentlich und in Stadt und Land immer mehr beliebt. Damit drohte Gefahr für den ideologischen Klassenkampf.

So nahmen die "örtlichen Organe" in den Fünfzigern das Zepter in die Hand und versuchten kontrollierten Einfluss. In Erfurt gründete der SED Oberbürgermeister Georg Boock ein Fest(ordnendes)Komitee, nachdem die FDJ 1953 einen Umzug öffentlich - mit wenig Erfolg - versuchte. Dieser Ausschuss hatte den organisierten Karneval der Stadt zu lenken und zu leiten und war kommunal - der Abteilung Kultur des Rates der Stadt angeschlossen - aber kein eigener Verein.
Anfangs bestimmten bürgerliche Kräfte das Geschehen. Unternehmer, städtische Angestellte bildeten ab 1955 auch das "Festkomitee Erfurter Karneval". Der erste Vorsitzende war ein ehemaliger Rheinländer, der erste Präsident der Genosse Vorsitzende der Erfurter Handwerkskammer.
In enger Zusammenarbeit mit den Darstellern am Erfurter Theater zogen Stadtgarde, Prinzenpaar und Prinzengarde unter dem Schlachtruf "Erfordia Heijo" mit dem Elferrat durch die Festsäle der Stadt. Dies sollte bis 1962 - dem Gründungsjahr des Marbacher Karneval Clubs - das einzige närrische Komitee Erfurts bleiben, das öffentliche Karnevalsveranstaltungen organisierte.
In den Kulturhäusern und Gaststätten Erfurts, im Haus der Armee; Haus des Handwerks Nord; Gildehaus; Münchner Hofbräu, Haus der DSF, Energieklubhaus, Optima-Klubhaus (Kaisersaal) und im Erfurter Hof fanden alljährlich gut besuchte Aufzüge und Sitzungen statt. Mit dem Sitzungskarneval von Marbach (1962), den Vereinen SCC Stotternheim(1962), KCR (1966), und Anger Karneval Club (1968) zog endgültig die politisch-literarische Fastnacht nach Mainzer Vorbild in das Brauchtumsgeschehen der Stadt Erfurt ein. Der Faschingsclub der CDU (1973), der Karneval Club Braugold (KCB) 1975, ECV (1977) und der Karnevalclub Katholisches Krankenhaus (1978) folgten später.

Fünf tragende "Vereine" waren Ende der 70er für die Stadt öffentlich tätig. Ihre relativ eigenständige Handlungsweise war im Rahmen des "Stadtarbeitskreises Karneval" möglich geworden. Die gemeinschaftliche Veranstaltungsform - wie die jährlichen Prunksitzungen des Erfurter Karnevals - wurden ab 1983 - dem Jubiläumsjahr des Festkomitees, Tradition in Erfurt. Die politische Verantwortung lag bei den Trägerbetrieben der Clubs und beim Veranstaltungsbüro der Stadt, das dem Stadtrat für Kultur unterstellt war.
Danach formierten sich weitere, zumeist regional wirkende Karnevalclubs. Sie fanden ihren eigenen Besucherkreis in den damaligen Gemeinden Töttelstedt (1987) und Alach (1988).

Die Vorgeschichte der Gemeinschaft Erfurter Carneval bildete somit der Stadtarbeitskreis Karneval (STAK) bis zur Wende.
Nach der Wende
Mit dem Zusammenbruch der staatlich gelenkten Kulturarbeit, der Trägerschaften von Karnevalclubs in der DDR war auch die "führende Rolle" des Festkomitee Erfurter Karneval beendet. 1989/90 ließen sich die ersten Karnevalclubs beim Registergericht "eintragen" - somit war die Voraussetzung für die eigene Entscheidungsfreiheit gegeben.
Das "Veranstaltungsbüro der Stadt Erfurt" war aufgelöst, die Vereine juristisch und wirtschaftlich selbständig. Es galt für die Brauchtumspfleger der neuen Landeshauptstadt demokratische Grundlagen und Formen der Vereinsarbeit zu finden, um die Großveranstaltungen des Erfurter Karnevals auf eigene Füße zu stellen. Auch war es an der Zeit, die Erfurter Traditionen des Ausschusses für den Erfurter Karneval aus den dreißiger Jahren und des Festkomitees bis zur Wende - fortzusetzen. Vor allem sollten die guten Erfahrungen und die Gemeinsamkeit der letzten Jahre auch nicht aufgegeben werden.

Seit 1983 hatten fünf Erfurter Vereine: AKC, FEK, MKC, KKH und KCB bereits eine gemeinsame Bühne, die jährlich mit der "Prunksitzung des Erfurter Karnevals" ihre vielumjubelnde Darstellung fand. Höhepunkt war 1985 die Ausrichtung des "25. Präsidententreffen der Karneval Clubs der DDR" mit einem Programm, das als das bis dahin beste in der DDR galt und der politisch-literarischen Fastnacht in der DDR zum Durchbruch verhalf.
Die Gründung der Gemeinschaft Erfurter Carneval
Dann aber kam das Schicksalsjahr 1991. Mit dem Golfkrieg war gerade die gesamte Saison durch den BDK abgesagt worden. Die zentrale Funktion des Festkomitees war für die neu eingetragenen Vereine inakzeptabel. Fünf Karnevalvereine entschlossen sich daher 1991 zur Bildung eines frei gewählten Komitees für den Erfurter Karneval. Es sollte den Namen Festkomitee oder "Komitee Erfurter Carneval" erhalten. Leider war unter dem damaligen Festkomitee-Präsidenten kein Konsens in Bezug auf traditionelle Namensgebung möglich. Er bestand auf dem Fortbestand des Festkomitees als inzwischen eingetragener Verein und seiner Führungsrolle.

Wortgewaltig setzte sich der Marbacher Vereinspräsident Hans Paul Vogl in einer Sitzung der Präsidenten von vier Vereinen am 14.06.1991 die in der Gaststätte "Braugoldstübel" in der Erfurter Johannesstraße mit dem Vorschlag durch, eine Vereinigung von eingetragenen Gesellschaften auch ohne das Festkomitee zu bilden. Ziel war es, alle städtischen Großereignisse unseres Brauchtums in Zusammenarbeit mit dem neuen, frei gewählten Oberbürgermeister der Stadt und der Kulturdirektion von nun zu gestalten. Der einheitliche, neue Schlachtruf war folgerichtig auch ein neuer: "Erfordia Helau".

Dem Vorschlag schlossen sich fünf Vereine an und gründeten eine juristisch selbständige Gesellschaft für fastnachtliche Brauchtumspflege in Erfurt, die "Gemeinschaft Erfurter Carnevalclubs e.V.".
Folgende Vereine signierten das Gründungsprotokoll:
Gründungsurkunde GEC
1

Anger Karneval Club Erfordia e.V.

Präsident: Rolf Fliedner
2

Marbacher Karneval Club e.V.

Präsident: Hans-Paul Vogl
3

Karnevalverein FACEDU

Präsident: Hartmut Stolz
4

Karneval Klub Kath. Krankenhaus

Präsident: Herbert Frank
5

Karneval Club Braugold e.V.

Präsident: Horst Pohl
Um den Zweck des Vereins in der Satzung und seine Aufgaben zu formulieren, stand uns die Gemeinschaft Kasseler Karnevalvereine Pate. Gerd Butzmann besuchte uns in Erfurt und vermittelte seine Erfahrungen für den Aufbau einer städtischen Dachorganisation.

Gründungsdokumente

Die Satzung von 1991
Die angeschlossenen Vereine gestalten gemeinsam herausragende Events in der Brauchtumszeit:
Die Prunksitzungen des Erfurter Karnevals
Die Thüringenhalle bildete die Plattform für ein mehrstündiges Sitzungsprogramm mit jährlich 2000 Besuchern zu zwei Veranstaltungen. Der Besucherstrom ließ nach 2009 deutlich nach, alternativ traf man sich nun im Kaisersaal.
Höhepunkte unseres Karnevals waren 1993 die Bildung des Senats. Seitdem ist eine steigende Anzahl von Mäzenen unterwegs, die das Brauchtum der Stadt fördern. Unter Führung des Senatspräsidenten Thomas Kleb werden bemerkenswerte Leistungen an die Vereine ausgereicht, die besonders für die Jugendarbeit gedacht sind. Ein Senator - Michael Meinung - gründete 1996 in der Thüringer Staatskanzlei einen Elferrat. Seitdem war das karnevalistische Klima für den jährlichen Empfang des Ministerpräsidenten für die Thüringer Vereine des Landesverbandes immer ein gutes.
Weitere Höhepunkte waren 2001 die 30. Deutschen Meisterschaften im karnevalistischen Tanzsport, die Erfurt und unser Brauchtum weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gemacht haben.
2006 wurden erstmalig die 14. Thüringer und 2007 die 36. Deutschen Meisterschaften wiederum in Erfurt vom Ausrichter GEC veranstaltet.
Der Bund Deutscher Karneval war von Erfurt so begeistert, dass 2014 die 43. Deutschen Meisterschaften folgte. Vorher richtete die GEC für den Landesverband die 21. Thüringer Meisterschaften aus.
Stand: 2015
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